Interview mit Sopranistin Carmela Konrad

A.Baal: Liebe Carmela, du bist Schweizerin, wo genau wurdest du geboren?
Ich wurde in Muri (AG) geboren, und bin in Sins an der Kirchstrasse aufgewachsen

Hast du während deiner Kindheit in einem Kinderchor und/oder Jugendchor gesungen?
Ja, ich sang kurze Zeit in einem Kinderchor und durfte später dann den Gesangsunterricht an der Musikschule besuchen.
Aber eigentlich mehr als der damalige Gesangsunterricht haben mich die verschiedenen Instrumente beeinflusst, in welchen ich Unterricht nehmen durfte.
So spielte ich einige Jahre Violine, Klavier, Saxofon und all die verschiedenen Instrumente des Schlagwerkes in der Musikgesellschaft Sins, wo mein Vater dirigierte. Bei Gitarre und Gesang bin ich dann ‚hängen geblieben‘.

Wie kam es, dass Du Dich dann entschlossen hast, Gesang zu studieren?
Ich bin meinen Eltern unsagbar dankbar für die Hilfe bei der Findung und Förderung meiner Talente. Denn mir selber war es während der Schulzeit nicht so klar, was ich werden wollte. In den ‚Freunde-Alben‘ habe ich zwar als Traumberuf Sängerin geschrieben, was jedoch mehr mit meiner Begeisterung für Michael Jackson zu tun hatte, als mit einem Wissen, wie ein Weg einer Sängerin aussehen könnte.
Ich wurde nach der offiziellen Schulzeit an der Kunstschule ‚Material und Form‘ aufgenommen und konnte zeitgleich bei Professoren der Hochschule Luzern (damals noch Konservatorium) in den Unterricht; Gitarre bei Jean-Pierre Reynders und Gesang bei Karin Maria Krauer und später Barbara Pietrzak. Die Schönheit der Musikliteratur, die ich kennenlernen durfte und das Gefühl, wie sich das Singen im Körper anfühlt, haben in mir das Feuer entfacht. Von da an wusste ich, ich möchte die Musik zu meinem Beruf machen.
Nach dem Vorkurs begann ich zuerst klassische Gitarre zu studieren und durfte nach zwei Jahren nach erfolgreichem Vorsingen auch noch klassischen Gesang bei Nadine Asher-Washington und danach bei Liliane Züricher im Doppelstudium studieren.
Ich erinnere mich noch genauen, wo mir der damalige Rektor des Konsi Luzerns, Thüring Bräm die freudige Nachricht persönlich mitteilte. Es war für mich ein Glücksgefühl und Energieschub sondergleichen. Ich wusste, es würde enorm viel Arbeit auf mich zukommen und auch dass ich die Energie und Lust dazu haben würde mich voll dafür einzusetzen.
‚Gott hat ihr in den Hals gespuckt’ wie man umgangssprachlich unter den Sängern für besonders tolle Stimmen sagt, das war bei mir nicht der Fall. Aber ich war schon immer mit meinem ganzen Herzen dabei. Und dieser ‚liebevolle‘ Ton ist es, der mich jeden Tag aufs neue fasziniert und mir die Erfüllung gibt für die Zuhörer:innen zu singen.

Was sind deine fünf liebsten Chorwerke?
Carl Orff: Carmina Burana
Johannes Brahms: Ein Deutsches Requiem
Wolfgang Amadeus Mozart: Messe in c-moll
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium
… und eigentlich immer das Werk, welches als nächstes im Konzertkalender steht :)

Was sind deine fünf liebsten Orgelwerke?
Am liebsten habe ich Orgelwerke mit Sopranbegleitung :)
Wunderschön finde ich z.B. ‚Magna res est amor‘ von Hendrik Andriessen
Oder wenn beim grossen Weihnachtswerk ‚Quem pastores laudavere‘ von Enrico Lavarini die Orgel in ganzer Pracht erscheint.
Kürzlich durfte ich bei der Einsetzung des neuen Hoforganisten Stéphane Mottoul in Luzern dabei sein und habe aus nächster Nähe erlebt, wie er von Charles-Marie Widor (ich glaube) op. 42 Nr. 2 gespielt hat. Was für ein Erlebnis. Das hat mich sehr bewegt und begeistert.
Auch habe ich immer wieder das Vergnügen, mit hervorragenden Organist:innen zu musizieren/singen und ihnen z.B. während eines Gottesdienstes beim Improvisieren oder bei eigenen Kompositionen zuzuhören. Das ist immer eine besondere Freude (Aurore Baal, das war auch bei Dir und unserem Marianischen Programm der Fall :)

Du bist freischaffende Sängerin/Künstlerin, unterrichtest Du auch?
Zur Zeit gebe ich nur vereinzelten Privatunterricht. Früher habe ich bis 2008 Gitarre & Stimmbildung unterrichtet und danach war ich bis 2019 mit einem kleinen Pensum als Dozentin für Gesang/Stimmbildung an der Pädagogischen Hochschule Luzern engagiert. Jetzt geniesse ich es, die Zeit voll und ganz für meine künstlerischen Tätigkeiten zur Verfügung zu haben.

Du teilst deine Tätigkeit zwischen den Gesang und Mal-Kunst, wie koordinierst du alles?
Ich denke, dass mir hier die Erfahrung des Doppelstudiums hilft, mich einfach gut zu organisieren. Ich bin eine Listenmacherin und schreibe Morgenseiten (eine Kreativitätstechnik welche ich beim Durcharbeiten des Buches ‚Der Weg des Künstlers‘ von Julia Cameron übernommen und beibehalten habe und jedem von Herzen empfehle).
In sehr intensiven Konzertphasen dauert die Fertigstellung eines Bildes einfach länger, oder bei der Arbeit meiner ‚Atem-Pausen‘-Skulpturen war z.B. der Umstand des Lockdowns und die ganze Auseinandersetzung mit der ‚Zwangs’pause eher förderlich. (Auf meinem Instagram-Account zu sehen)

Wie sieht dein Alltag aus, schaffst du täglich solo Gesang, Kunst, malen, Werke zu studieren/proben oder hast du eher Phasen?
Mit meinen Partner, dem Musiker/Künstler Philipp Leon Fankhauser und unserer Hündin haben wir ein schönes und liebevolles Zuhause geschaffen. Das gibt mir sehr viel Kraft.
Da jede Woche wieder anders aussieht, hilft mir das Schreiben am Morgen für eine klare Struktur und Einteilung des Tages. So kann ein Tag mal hauptsächlich mit dem Erlernen von neuen oder ‚auffrischen’ von bereits bekannten Werken erfüllt sein. Oder wenn es auf eine Ausstellung zu geht kann es sein, dass ich den Tag hauptsächlich am Mal-und Skulpturenpult bin. Andere Tage, z.B. nach intensiven Proben und Konzerten verbringe ich dann vermehrt mit Regeneration, und Hausarbeiten.
Ein möglicher Tag könnte so aussehen: Morgenseiten schreiben und Tag planen, am Klavier Noten lernen, mit unserer Hündin spazieren und spielen, einsingen, Büroeinheit, üben, malen, Mittagspause & Hausarbeit, am Skulpturentisch arbeiten, Gartenrundgang mit Schere, singen/am Klavier etwas Neues anspielen, mit Philipp den Abend geniessen, z.B. mit Jane-Austin-Verfilmungen-Schauen, zeitig schlafen.
Der stille Fokus eines jeden Tages ist jedoch immer auf die Gesunderhaltung und Pflege meiner Stimme ausgerichtet.

Was gefällt Dir besonders in deinem Job als Sängerin?
Ui, so vieles, fast alles :). Wo fange ich bloss an… Die Musik! Das aufschlagen der neuen Noten, das Durchblicken, Anstreichen meines Parts, das Erlernen, das daran Üben, sowieso das Üben zu Hause am Klavier, dann das Proben mit meinen Kolleg:innen und Dirigent:innen, die Konzertatmosphäre, für das Publikum zu singen, die Kompositionen, der Musik zuzuhören, die Konzertorte, die unaussprechlich schönen Klosterkirchen und Konzertsäle, die schönen Kleider, die Gefühle welche die Musik zum Schwingen bringt, die Stille nach dem letzten Ton, die Scheinwerfer und Aufmerksamkeit des Publikums, das Gefühl der Erfüllung im Tun, die Kraft der Worte des gesungenen Textes, den etwas ‚anderen‘ Lebensrhythmus, dass man bewusst atmet, das Gefühl mit meinem Körper einen Ton zum Leben zu erwecken der durch den ganzen Raum klingt, die Vielfalt der Werke, das gemeinsame Zusammensein nach dem Konzert, ...
Meistens gefällt mir auch das unterwegs sein, und dass ich mit Singen und vom Singen leben kann.
Ich habe bestimmt so vieles nicht erwähnt, und die Reihenfolge ist auch nicht relevant, aber was ich sagen kann ist: ich liebe meinen Beruf, meine Berufung als Künstlerin und bin jeden Tag dankbar, ihn mit und fürs Publikum ausüben zu dürfen.

Welches Werk würdest du gerne singen als Traum?
Die Musikliteratur ist für mich wie eine Wundertüte. Ich lerne immer wieder so viele wunderschöne Werke kennen und dieser Mix aus mir bekannten und für mich neuen Werken zu singen, das macht mir grosse Freude.
Ich habe das Glück sagen zu können, dass ich die mir bekannten Werke welche ich unbedingt einmal in meinem Leben singen wollte – singen konnte.
Und ich bin offen für alles was noch auf mich wartet entdeckt zu werden.

Ein Wunsch für der Kirchenmusikverband Kanton Luzern?
Dass es dem KKVL gelingt, seine Anliegen und Ziele der Statuten mit Freude und Begeisterung zu den Menschen zu bringen und zu vermitteln.

Was bedeutet für dich der Begriff «Kirchenmusik»?
Musik mit religiösem Inhalt, Leben, Kraftspender, Hoffnung, Zuversicht, göttliche Musik, Vielfalt, Geld, Corona-Rettung, Berufung, Hingabe, dienende Musik, Begegnung mit Gott.

Was ist schön für dich, wenn man in einem Ensemble singt?
Das sich darin ‚verlieren‘, dass man Teil des Ganzen wird, sich selbst zum Teil gar nicht mehr hört und trotzdem weiss, man trägt zum Klang, zum grossen Ganzen bei.

Für dich, welche Kunst kann am besten Gefühle ausdrücken? Welche Kunstsparte kann am besten die Menschen zur Friedlichen/glückliche Ruhe oder ins Gleichgewicht bringen?
Für mich persönlich ist es die Musik, welche meine Gefühle am besten oder vielleicht besser gesagt am unmittelbarsten ausdrücken kann. ‚Music was my first love‘ (John Miles). In allen Lebenslagen. Über die Wirkung von J.S. Bachs Musik auf mich habe ich gar einmal einen Liebesbrief geschrieben: siehe im Blog des Bachensemble Luzerns vom 7. September 2016.
Wenn ich in versunken am Malen oder figural Gestalten bin, mit Ruhe und Genauigkeit Farben, Formen, Material und Verbindungen wähle, dann steckt darin unglaublich viel Frieden und Freude. Ich finde das wirkt dann auch auf den Betrachter und strahlt diese Energie in den Raum.
Ich fände es wunderbar, wenn jeder Mensch sich überlegen und nachspüren würde was ihn ins Gleichgewicht bringt oder zum friedlichen Sein anregt, sodass man bewusst DAS fördern kann und man darin viel von seiner Zeit und Geld investiert.

Vielen Dank für das Interview.

 

Lebenslauf Carmela Konrad

Die Sopranistin Carmela Konrad setzte nach ihrem Doppelstudium Gesang und Konzertgitarre an der Hochschule in Luzern ihre Weiterbildung in Meisterkursen u. a. bei Krisztina Laki, Jakob Stämpfli und Sibylla Rubens fort. Vor ihren Studien an der Musikhochschule besuchte Carmela Konrad eine Kunstschule.
Sie konzertierte in jüngster Zeit als Solistin u. a. in der Philharmonie, dem Prinzregententheater und dem Herkulessaal in München, der Philharmonie in Berlin, in der Great Hall des Moskauer Konservatoriums, in der Frauenkirche Dresden und als gebürtige Schweizerin natürlich in vielen Städten der Schweiz.
Konzerte im 2021/22 beinhalten u. a. W. A. Mozarts »c-moll Messe« und »Exsultate, jubilate«, G. F. Händels »Messiah«, J. Brahms »Requiem«, Carl Orffs »Carmina Burana«, J. S. Bachs Passionen, sein »Magnificat«, das »Weihnachtsoratorium« und diverse Bachkantaten sowie Liederabende mit dem Gitarristen Philipp Leon Fankhauser und dem Lautenisten Andreas Schlegel. Carmela Konrad singt regelmäßig als Solistin beim Bach Collegium Zürich, im Heinrich Schütz-Zyklus Luzern sowie im Ensemble Stimmkunst des Zyklus von Bach:vokal Stuttgart.
Carmela Konrad ist Preisträgerin der Marianne und Curt Dienemann-Stiftung (CH), gewann den Förderpreis der Stadt Wels (A), den 1. Preis der Elvira Lüthy-Wegmann Stiftung (CH), den Solistenpreis des Schwarzwald Musikfestivals 2019 (DE) und den Mathilde Müller Preis 2021 (CH).
Neben dem Singen liebt sie es, ihrer Fantasie mit farbkräftigen Bildern und Skulpturen Ausdruck zu verleihen, mit ihren Händen im Garten zu arbeiten und an Blumen zu riechen.

www.carmelakonrad.ch
www.paintings.carmelakonrad.ch

 

 

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